Künstliche Intelligenz wird in immer mehr Unternehmen eingesetzt. Zum Beispiel in der Produktion, Qualitätssicherung und auch bei der internen Kommunikation. Doch ein Feld steht aktuell besonders im Fokus: der Arbeitsschutz. Obwohl die Digitalisierung und Industrie 4.0 in vielen Betrieben schon üblich sind, wird KI im Bereich der Arbeitssicherheit bislang noch selten systematisch und flächendeckend eingesetzt.
Besonders für Branchen, in denen Sicherheit sehr wichtig ist, birgt das ein großes Potenzial. Aber nur, wenn Sicherheit und Verantwortung zusammenpassen.
Digitale Potenziale für den Arbeitsschutz
Der klassische Arbeitsschutz basiert auf festgelegten Vorschriften, regelmäßigen Begehungen und manuell erfassten Risikobewertungen. Diese Methoden sind zwar sehr erfolgreich, haben aber ihre Grenzen, wenn die Arbeitsumgebungen immer komplexer werden. Hier setzt KI an: Mittels intelligenter Algorithmen lassen sich Gefahren nicht nur identifizieren, sondern auch prognostizieren. Sensorik-basierte Systeme analysieren Umgebungsdaten, Bewegungsprofile oder Temperaturverläufe in Echtzeit und schlagen bei Abweichungen automatisch Alarm, noch bevor es zu einem sicherheitsrelevanten Ereignis kommt.
Ein Beispiel: In industriellen Fertigungshallen besteht durch den Einsatz von KI-Systemen in Kombination mit Computer Vision mit 3D-Raumerkennung die Möglichkeit zur frühzeitigen Erkennung potenziell gefährlicher Situationen wie Gabelstaplerkollisionen oder menschliche Fehlpositionierungen. Auch bei der Analyse von Unfallstatistiken, Beinaheunfällen oder Sicherheitsberichten zeigen KI-gestützte Tools ihre Stärke. Sie identifizieren Muster und wiederkehrende Risikofaktoren, die dem menschlichen Auge entgehen. So schaffen sie eine neue Grundlage für präventive Maßnahmen. Jedoch hängt die Zuverlässigkeit dieser Systeme stark von der Datenqualität und dem KI-Modell ab, und sollten stets von Fachpersonal validiert werden.
Der KI-Beauftragte als neue Schlüsselfunktion
Durch den Einsatz komplexer automatisierter Systeme entsteht auch eine neue Nachfrage: die gezielte Koordination, Überwachung und Eingliederung von KI in sicherheitsrelevanten Umgebungen. Hier kommt eine Rolle ins Spiel, die in vielen Unternehmen noch nicht klar definiert ist: der KI-Beauftragte im Arbeitsschutz. Diese Funktion verbindet technologische Kompetenz mit regulatorischem Verständnis und ethischem Bewusstsein.
Der KI-Beauftragte trägt die Verantwortung dafür, dass eingesetzte KI-Systeme nicht nur technisch funktionieren, sondern auch mit geltendem Recht, internen Sicherheitsrichtlinien und ethischen Grundsätzen im Einklang stehen. Er prüft Algorithmen auf ihre Nachvollziehbarkeit, koordiniert Datenschutzbelange und sorgt für Transparenz gegenüber Mitarbeitenden und Aufsichtsbehörden. In sicherheitskritischen Bereichen wie der Elektrosicherheit, der Maschinensicherheit oder dem Brandschutz ist diese Schnittstellenkompetenz von entscheidender Bedeutung. Der KI-Beauftragte arbeitet oft mit dem Datenschutzbeauftragten, IT-Sicherheitsbeauftragten oder einer Fachkraft für Arbeitssicherheit zusammen.
Rechtlicher Rahmen und ethische Leitplanken
Mit der zunehmenden Nutzung von KI-Systemen wachsen auch die regulatorischen Anforderungen. Der geplante EU AI Act etwa klassifiziert sicherheitskritische KI-Anwendungen als „hochriskant“ – und stellt besondere Anforderungen an Transparenz, Dokumentation und menschliche Kontrollierbarkeit. Für Unternehmen bedeutet das: Der Einsatz von KI im Arbeitsschutz ist kein technisches Projekt, sondern eine strategische Herausforderung mit rechtlichen Dimensionen.
Darüber hinaus fordert der Einsatz lernender Systeme eine neue ethische Sensibilität. Wer trägt die Verantwortung bei fehlerhaften Vorhersagen? Wie lassen sich automatisierte Entscheidungen nachvollziehbar gestalten? Und wie wird sichergestellt, dass menschliche Expertise nicht durch blinde Technikgläubigkeit ersetzt wird? Diese Fragen betreffen nicht nur KI-Entwickler, sondern auch Fachkräfte für Arbeitssicherheit, CE-Koordinatoren oder technische Leiter, die in Zukunft verstärkt mit KI-Systemen arbeiten werden.
Grenzen und Herausforderungen
Trotz aller Vorteile ist KI kein Allheilmittel. Technische Limitationen – etwa unvollständige Datensätze, algorithmische Verzerrungen oder unerwartete Systemreaktionen – bergen Risiken, besonders in sicherheitskritischen Umgebungen. Hinzu kommen organisatorische Hürden: fehlende Akzeptanz, unklare Zuständigkeiten oder mangelhafte Schulung können dazu führen, dass KI-Systeme nicht wie geplant genutzt werden.
Auch Haftungsfragen sind bislang nicht abschließend geklärt: Wenn ein KI-System einen sicherheitsrelevanten Fehler nicht erkennt – liegt die Verantwortung beim Hersteller, beim Betreiber oder beim überwachenden Fachpersonal? Unternehmen benötigen deshalb klare Prozesse und eine fundierte Risikoanalyse, bevor sie KI-Systeme in sicherheitsrelevante Prozesse integrieren.
Wege zur erfolgreichen Integration in Unternehmen
Der erfolgreiche Einsatz von KI im Arbeitsschutz beginnt mit einer realistischen Einschätzung: Welche Prozesse lassen sich sinnvoll digitalisieren? Wo bietet KI echten Mehrwert? Wo sind klassische Maßnahmen weiterhin besser geeignet? Pilotprojekte, interdisziplinäre Teams und der frühzeitigen Einbindung von Sicherheitsbeauftragten und Betriebsräten schaffen Akzeptanz und minimieren Implementierungsrisiken.
Eine weitere zentrale Rolle spielt die Qualifikation des Personals. Technisch versierte Fachkräfte benötigen Fortbildungen zu KI-gestützten Systemen, während Führungskräfte und Beauftragte ihre Kompetenzen im Bereich rechtlicher Rahmenbedingungen und ethischer Standards ausbauen müssen.
Fazit: KI im Arbeitsschutz als Zukunftsfaktor mit Verantwortung
Der Einsatz von KI im Arbeitsschutz eröffnet neue Möglichkeiten – von intelligenten Frühwarnsystemen bis hin zur automatisierten Gefährdungsanalyse. Doch Innovation allein genügt nicht. Entscheidend ist, dass Unternehmen Verantwortung übernehmen: durch qualifiziertes Personal, klare Prozesse und transparente Systeme. Besonders für mittelständische und industrielle Betriebe, die heute schon hohe Anforderungen an Sicherheit und Compliance erfüllen müssen, bietet sich hier eine zukunftsweisende Chance: den Arbeitsschutz neu zu denken und gleichzeitig zu stärken.