In einem wirtschaftlich und rechtlich komplexen Arbeitsumfeld sehen sich Unternehmen immer wieder mit Situationen konfrontiert, in denen ein Arbeitnehmer die vertraglich geschuldete Leistung nicht oder nicht im erforderlichen Maß erbringt. Die Ursachen für diese sogenannten Schlechtleistungen sind vielfältig: mangelnde Motivation, unzureichende Qualifikation, persönliche Probleme oder auch schlicht eine fehlende Leistungsbereitschaft. Für Arbeitgeber stellt sich in solchen Fällen die Frage, wie sie angemessen, rechtssicher und wirkungsvoll reagieren können – ohne vorschnell zu drastischen Mitteln wie einer Kündigung zu greifen. Die Abmahnung stellt in diesem Zusammenhang ein zentrales arbeitsrechtliches Instrument dar. Doch wann ist sie gerechtfertigt? Welche Anforderungen stellt die Rechtsprechung an Inhalt und Form? Und welche Risiken birgt ein unbedachter Umgang mit diesem Mittel?
Die Abmahnung im System des Arbeitsrechts
Die Abmahnung ist kein bloßes Warnsignal – sie hat im deutschen Arbeitsrecht eine klar umrissene Funktion. Sie soll dem Arbeitnehmer ein bestimmtes Verhalten – oder in unserem Fall eine bestimmte Leistungshaltung – vor Augen führen, die aus Sicht des Arbeitgebers vertragswidrig ist. Ziel ist es, dem Mitarbeiter Gelegenheit zu geben, sein Verhalten zu ändern und die Leistung zu verbessern, bevor weitere arbeitsrechtliche Konsequenzen, wie eine Kündigung, in Betracht gezogen werden.
Grundsätzlich ist zwischen zwei Abmahnungsarten zu unterscheiden: der verhaltensbedingten Abmahnung und der leistungsbezogenen Abmahnung. Während die erste bei bewusstem Fehlverhalten (z. B. unentschuldigtem Fehlen, Arbeitsverweigerung oder Beleidigung) zum Einsatz kommt, geht es bei der Abmahnung wegen Schlechtleistung darum, dass die vertraglich vereinbarte Leistung nicht in zumutbarer Weise erbracht wird – etwa, weil ein Mitarbeiter dauerhaft hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt.
Schlechtleistung als Grund für eine Abmahnung – Voraussetzungen und Abgrenzungen
Nicht jede unterdurchschnittliche Leistung rechtfertigt automatisch eine Abmahnung. Die arbeitsrechtliche Bewertung orientiert sich maßgeblich daran, ob der Arbeitnehmer die Leistung willentlich oder bewusst fahrlässig nicht erbringt. Liegt hingegen eine krankheitsbedingte Leistungsminderung oder ein erkennbares Qualifikationsdefizit vor, ist die arbeitsrechtliche Lage weitaus komplizierter.
Die Rechtsprechung differenziert hier streng zwischen steuerbarem Verhalten (für das der Arbeitnehmer verantwortlich gemacht werden kann) und solchen Leistungsmängeln, die auf Umständen beruhen, die der Arbeitnehmer selbst nicht beeinflussen kann. Eine arbeitsrechtliche Sanktion – und somit auch die Abmahnung – ist grundsätzlich nur dann zulässig, wenn das Verhalten vorwerfbar ist. Ein Beispiel: Ein Vertriebsmitarbeiter, der trotz intensiver Bemühungen aufgrund eines Markteinbruchs keine Abschlüsse erzielt, kann kaum wirksam abgemahnt werden. Liefert derselbe Mitarbeiter jedoch wiederholt fehlerhafte Angebote oder erscheint zu spät bei Kundenterminen, liegt ein abmahnungsfähiges Verhalten vor.
Anforderungen an eine rechtssichere Abmahnung bei Schlechtleistung
Eine Abmahnung wegen Schlechtleistung muss hohen rechtlichen Anforderungen genügen, damit sie im Ernstfall – insbesondere bei einer späteren Kündigung – Bestand vor Gericht hat. Dabei sind insbesondere drei Elemente unverzichtbar:
- Konkrete Beschreibung der Schlechtleistung:
Der Vorwurf muss detailliert beschrieben werden. Allgemeine Aussagen wie „Ihre Leistungen entsprechen nicht den Erwartungen“ genügen keinesfalls. Stattdessen müssen messbare, dokumentierte Beispiele herangezogen werden, etwa: „Am 15. Februar 2025 haben Sie den Kundenauftrag XY nicht fristgerecht bearbeitet, obwohl die Bearbeitungsfrist nachweislich bekannt war.“ - Eindeutige Rüge des vertragswidrigen Verhaltens:
Die Abmahnung muss klar zum Ausdruck bringen, dass der Arbeitgeber das Verhalten als Vertragsverstoß wertet. Es muss deutlich werden, dass das Verhalten nicht hingenommen wird. - Ernsthafte Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen:
Eine Abmahnung ist nur dann wirksam, wenn dem Arbeitnehmer unmissverständlich klargemacht wird, dass im Wiederholungsfall weitergehende arbeitsrechtliche Schritte – bis hin zur Kündigung – erfolgen können.
Fehlt eines dieser Elemente oder ist der Vorwurf nicht präzise belegt, kann die Abmahnung im Streitfall als unwirksam eingestuft werden.
Form und Zugang – darauf kommt es an
Zwar ist die Abmahnung rechtlich nicht zwingend an die Schriftform gebunden, aus Gründen der Nachweisbarkeit ist jedoch dringend zu empfehlen, sie schriftlich zu erteilen. Wichtig ist auch der nachvollziehbare Zugang: Die Abmahnung sollte persönlich übergeben und der Empfang schriftlich bestätigt werden. Alternativ kann ein Einschreiben mit Rückschein verwendet werden, wobei hier immer die Möglichkeit besteht, dass der Arbeitnehmer den Zugang bestreitet oder die Annahme verweigert.
Die Rolle der Dokumentation – Voraussetzung für Wirksamkeit
Die sorgfältige Dokumentation von Leistungsmängeln ist essenziell. Arbeitgeber tun gut daran, Auffälligkeiten frühzeitig zu erfassen und in Personalgesprächen zu thematisieren. Gesprächsnotizen, Leistungsberichte oder Kundenbeschwerden können im Ernstfall die erforderliche Beweisgrundlage bilden. Ohne diese belastbaren Nachweise bleibt die Abmahnung angreifbar und verliert ihre Wirkung – sowohl im präventiven Sinne als auch als Grundlage für spätere arbeitsrechtliche Maßnahmen.
Chancen und Risiken im Umgang mit der Abmahnung
Die Abmahnung kann in Fällen von Schlechtleistung eine konstruktive Wirkung entfalten – insbesondere dann, wenn sie im Rahmen eines klar kommunizierten Erwartungsmanagements erfolgt. Sie bietet die Möglichkeit, Konflikte zu klären, Leistungsstandards zu verdeutlichen und dem Arbeitnehmer eine faire Chance zur Korrektur seines Verhaltens zu geben. Gleichzeitig kann sie für den Arbeitgeber rechtlich entlastend wirken, wenn es später zu einem gerichtlichen Verfahren kommt.
Doch es gibt auch Risiken: Wird vorschnell oder ohne ausreichende Grundlage abgemahnt, kann dies die Beziehung zum Arbeitnehmer irreparabel belasten. Zudem besteht das Risiko, dass eine spätere Kündigung allein auf eine unwirksame Abmahnung gestützt wird – mit der Folge, dass sie vor dem Arbeitsgericht keinen Bestand hat. Arbeitgeber sollten daher mit der Abmahnung strategisch überlegt und juristisch fundiert umgehen.
Fazit: Konsequenz, Sorgfalt und Fingerspitzengefühl
Die Abmahnung bei Schlechtleistung ist ein notwendiges, aber sensibles Instrument im arbeitsrechtlichen Umgang mit Leistungsmängeln. Sie verlangt vom Arbeitgeber eine präzise Analyse, eine saubere Dokumentation und ein klares kommunikatives Vorgehen. Wer zu schnell abmahnt oder pauschal urteilt, riskiert rechtliche Rückschläge und innerbetriebliche Konflikte. Wer hingegen strukturiert, sachlich und transparent vorgeht, schafft nicht nur rechtliche Klarheit, sondern oft auch einen Impuls zur Verhaltensänderung. Die sorgfältige Ausgestaltung der Abmahnung ist damit nicht nur Mittel zur Sanktion, sondern auch Chance zur Entwicklung – im besten Fall zur Reaktivierung verlorengegangener Leistungsbereitschaft.